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Stefan Eberhardt: "Laufen ist Arbeit!"

 

"Auf die Junioren-WM 2002 habe ich mich sehr gefreut, auch wenn die Vorbereitungen nicht optimal gelaufen sind. Ich bin ganz gut in die Saison gestartet und habe mir viel vorgenommen. Gleich bei meinem ersten Wettkampf in Dessau habe ich die Norm  geknackt und konnte anschließend in Kassel mit einer Zeit von 3:44,74 min noch eins drauflegen. Danach ging es etwas bergab. Durch eine Sehnenentzündung , die ich auskurieren musste, konnte ich nicht richtig trainieren. Ich habe viele Trainingseinheiten auf dem Ergometer absolviert. Erst bei den Deutschen Meisterschaften lief es wieder gut und ich war ganz optimistisch für Grosetto. Es war nach der Junioren EM in Tampere mein zweiter großer internationaler Wettkampf. Deshalb ging ich auch relativ "abgeklärt" an meinen Vorlauf.
Doch schon nach 400m war das Rennen für mich verloren. Ich bin zu schnell angegangen – 55 Sekunden für die erste Runde. Es kam so wie es kommen musste, ich bin Stück für Stück nach hinten durchgereicht worden und hatte keine Chance, den erwünschten Endlauf zu erreichen. Die Enttäuschung war sehr groß und die Freude auf die Anschlusstage in der Toskana hielten sich in Grenzen. " 

Das mag sich im ersten Moment unbedeutend anhören, was Stefan Eberhardt aus Erfurt über die Junioren WM in Grosetto berichtet, mag eine Geschichte sein, die einige deutsche Nachwuchsläufer in ähnlicher Form erzählen könnten. Doch im Grunde erzählt er damit mehr als nur ein Ereignis, im Grunde erzählt er seinen bisherigen Werdegang, erzählt er wie es ihm schon oft ergangen ist: In Deutschland absolute Spitze, international noch kein überzeugendes Rennen. 
Aber er hat sich ein Niveau erarbeitet, hat sich nach oben gekämpft und hat es dann auch geschafft mehrmals  international starten zu können. Und Stefan Eberhardt ist nicht darauf angewiesen in der Jugend internationale Spitze zu sein, vielmehr hat er einen langfristigen Plan, hat Zeit und ganz entscheidend: mittlerweile einen  großen Schatz an  internationaler Erfahrung. Und um dies alles erreicht zu haben hat der junge Erfurter Jahre durchlaufen, die man hätte auch in Lehrbücher verfassen können. So gezielt, so behutsam und kontinuierlich wurde er von der B-Jugend an aufgebaut, hat ihn das Erfurter Trainergespann geformt. Alleine die Tatsache, dass er in dieser Zeit alle möglichen Kader durchlaufen hat sprechen schon eine deutliche Sprache.

> Weg zur Leichtathletik

"Erst habe ich Fußball gespielt, bevor ich in der 2. oder 3. Klasse mit der Leichtathletik begonnen habe." kann  sich der Erfurter nur noch sehr wage an seine Anfänge erinnern. "Mit ein paar Freunden bin ich zum VfB Schleiz. Die Leichtathletik lag nahe, da meine Mutter früher auch diesen Sport betrieben hat." 
Wie üblich ging es mit lockerem Sprung- , Wurf- und Lauftraining los. Doch schon sehr bald stellte sich heraus, dass Stefan Eberhardt für die kurzen Sachen "nicht schnell genug" war. Sein damaliger Trainer Andreas Hoppe, selbst ein Hobbyläufer, brachte ihn dann zum Laufen. 2 Mal die Woche Dauerläufe, oder auch mal Tempoläufe waren im Alter von 14 Jahren die Regel. Das reichte für eine 9:52 Minuten über 3000m und eine 17:51 über 5000m. Mit 15/16 Jahren trainierte Stefan Eberhardt dann schon vier bis fünf Mal die Woche.  "Das waren vielleicht 40 bis 50km." Für Stefan Eberhardt war der Umfang eher unbedeutend, Hauptsache die Wettkämpfe liefen gut. Ein Tempoprogramm war damals zum Beispiel: 1000m - 800m - 500m. 

Mit 2:42 Minuten über die klassische Schülerstrecke von 1000m machte der Realschüler mit 15 einen deutlichen Sprung. Ebenso über die 3000m, wo er jetzt schon eine 9:11 anbieten konnte. "Ich hab irgendwie alles durcheinander gemacht. Mal ein Meeting, ein Volkslauf. Da war nicht groß System dahinter." Und auch im ersten Jahr der B-Jugend hatte Stefan Eberhardt noch "alles gemacht". Soll heißen, dass er nicht nur das Laufen trainiert hat. 
"Ja, dann kamen auch die ersten Deutschen Meisterschaften. Ich war dermaßen nervös, ich bin viel zu schnell angelaufen und hinten raus völlig eingegangen." Ein Syndrom, dass ihm in den Jahren darauf noch öfter begegnen sollte. Nach 9:32 Minuten kam der Mann des VfB Schleiz ins Ziel. "Ich wurde Vorletzter." gibt er zu, als sei es ihm etwas peinlich. Doch Stefan Eberhardt ist keiner der schönredet, der Ausreden sucht, wenn er nicht seine Leistung bringt. Vielmehr ist er einer, der schon damals ganz viel wollte, der schon damals nicht einfach im Mittelfeld mitlaufen wollte. Mit Zeiten von 9:02 Minuten über 3000m und 4:09 Minuten über 1500m wurde er in den D-Kader berufen. 

 

>Wechsel nach Erfurt

"Nach der Mittleren Reife hat mich Herr Hermann angesprochen und gesagt, dass es in Erfurt doch eine bessere Laufgruppe gibt." Dort hat sich Stefan Eberhardt beworben. "Einen Platz hatten sie noch frei. Die haben mich aber nicht wegen meiner Leistung genommen, sondern wegen meiner Größe." In Erfurt wird das Potential angeschaut, wird der Athlet nicht nach seinem Ist-Zustand beurteilt sondern vielmehr nach dem, was aus ihm werden könnte. Bei Stefan Eberhardt wurde ein großes Potential gesehen. "Dort war ich dann auf einem Internat und hab ein Sportgymnasium besucht. Ein riesiger Komplex ist das. Dort ist von Fußball über Tischtennis, Radfahren und Leichtathletik so ziemlich jede Sportart vertreten." Die Bedingungen also optimal. 
Nun zog das Training auch deutlich an: "8 bis 10 Trainingseinheiten waren es im zweiten Jahr der B-Jugend dann schon. Ein bis zweimal die Woche sind wir einen Kilometer geschwommen, die Dauerläufe waren immer zwischen 8 und 10 Kilometern." Das bedeutete eine große Umstellung, doch Stefan Eberhardt wollte weiterkommen, dafür trainierte er auch gerne zweimal am Tag. "Du kannst schon alles unter einen Hut bekommen. Wir trainierten erst Vormittags, die Schule ging dann von 9 bis 14:30 Uhr, dann stand die zweite Einheit an." Stefan Eberhardt trainierte damals mit Leuten, die alle schon Erfolg hatten, die schon deutsche Spitze waren. "Am Anfang war das schon schwer, da hab ich im Training auch hin und wieder überzogen, weil ich mich in der Gruppe einfach beweißen wollte." Doch mit Dieter Hermann und Dieter Fromm hatte und hat er zwei Trainer an seiner Seite, die schon schauen, dass nicht zu viel gemacht wird. "Wir bekommen immer einen Trainingsplan für 6 Wochen. Wenn es einen neuen Plan gibt, setzen wir uns mit unserem Trainer an einem Tisch und sprechen ihn durch.
Wir haben zwar ein Mitspracherecht, aber  meiner Meinung nach  gibt es an den Plänen nichts auszusetzen." Stefan Eberhardt vertraut seinem Trainer 100-prozentig.

"Bis zur Halle in der Saison 2001/02 haben wir , wie die folgenden Saisons auch, viel Ausdauer gemacht. Da macht eigentlich jeder das Selbe. Vom 800m- bis zum 3000m Hindernisläufer. Das sind Bergläufe, viele Straßenläufe, am Wochenende meist schnellere Sachen. Erst im Januar geht's auf die Bahn." Auf der Bahn in der Halle präsentierte sich Stefan Eberhardt schon ganz anders also noch eine Saison zuvor. Als B-jugendlicher lief er bei den 'Deutschen' der A-Jugend über 1500m in  4:01 Minuten auf Platz 8. "Damit war ich zufrieden." sagt er dazu. Überhaupt sagt Stefan Eberhardt nicht sehr viel, Stefan Eberhardt läuft lieber. Nach der Halle ging die Erfurter Gruppe wieder in einen Ausdauerzyklus, bevor die Wettkämpfe mit den Deutschen Crossmeisterschaften fortgeführt wurden. "Dort wurde ich hinter Erkan Kara, meinem Teamkollegen, Zweiter. Die ersten drei Plätze gingen, glaube ich, alle an Erfurter Athleten." Weiter ging es mit den Deutschen 10km Meisterschaften auf der Straße, wo er Vierter wurde. In der folgenden Bahnsaison sollte ihm endgültig der Durchbruch gelingen. Bei der Juniorengala lief der Erfurter schon 3:53,56 Minuten über die 1500m. "Der Trainer hat das festgelegt, dass ich 1500m laufe, da ich gute 800m rennen kann." Die anschließende DM in Mönchengladbach bescherte Stefan Eberhardt seinen ersten Deutschen Meistertitel im Einzel. 4:01 Minuten reichten dafür. Wenn er das erzähl merkt man ihm nicht an, dass es sich um einen Deutschen Meistertitel handelt. Er könnte auch über eine Schulstunde sprechen, Stefan Eberhardt trägt Emotionen lieber beim Laufen vor. Bei seinem ersten internationalen Einsatz, einem Länderkampf vor den Europameisterschaften in München 2002, zeigte er, dass er sich auch gegen internationale Konkurrenz behaupten kann. "Hinter einem Ungar wurde ich Zweiter."

>Erstes Jahr A-Jugend

"In der 2 bis 3-wöchigen Saisonpause machen wir überhaupt nichts. Danach geht es wieder 2 bis 3 Wochen lang locker mit Fußball und Schwimmen los, bevor wir wieder voll ins Lauftraining einsteigen." Dreimal die Woche steht Krafttraining an, später in der Saison dann nur noch zweimal die Woche. Hinzu kommen viele Sprünge und ganz wenig Sprints. 2002/03, im ersten Jahr als A-jugendlicher lag der Umfang bei 80 bis 100km. Der Ausdauerzyklus war mit der Crosssaison unterbrochen und Stefan Eberhardt qualifizierte sich für die Cross Europameisterschaften in Kroatien. "Das waren ganz schwierige Bedingungen. Der Wind blies mit 90km/h." Das war dem ehrgeizigen Erfurter erst mal egal, denn er wollte wieder ganz vorne mitlaufen. "Ich hab' da ein bisschen überzogen und bin hinten raus eingegangen. Am Ende wurde ich 56." Mut und einen großen Willen hatte der Thüringer auch international schon damals. "Die Hallen DM hab' ich mit 2 oder 3 Hundertstel Vorsprung in 3:53 Minuten gewonnen. Bei den 'Deutschen' der Aktiven in Leipzig bin ich mit 3:50 Minuten dann noch Bestzeit gelaufen und Siebter geworden." Auch das erzählt Stefan Eberhardt nicht mit Euphorie oder mit Freude in der Stimme, das erzählt Stefan Eberhardt so, als sei es nichts besonders, als sei es nur eine Durchgangsstation zu Größerem. So erinnert er in seiner Art schon ein wenig an den jungen Nils Schumann. Kein 'Schwätzer', keiner der mehr redet als läuft. Eher einer der schnell läuft und wenig redet, einer der durch Leistung überzeugt.

Im zweiten Ausdauerblock nach der Halle stieg der Umfang kurzzeitig wieder auf 120 bis 130km. "Ein gängiges Programm war 8x1000m mit 3 Minuten Trabpause." In 3:10 lief Stefan Eberhardt diese zu jenem Zeitpunkt. Ein anderes Programm war zum Beispiel 12x500m bergan. Programme bei denen Stefan Eberhardt nicht gejammert hat, Programme die Stefan Eberhardt abarbeitete. Der Umfang sank in der Wettkampfphase auf 70 bis 80km die Woche. "Das Tempo für die Dauerläufe erfahren wir bei den vier Leistungsdiagnostiken in Leipzig. Wichtig ist dabei, wie sich die VL3 Schwelle verändert hat. Das ist die Geschwindigkeit, wo die Muskulatur zu übersäuern beginnt. Daran siehst du, ob du einen Sprung gemacht hast." Stefan Eberhardt hatte einen Sprung gemacht. "In Rehlingen habe ich mit 3:49 Minuten gleich die Quali für die EM in Tampere unterboten und bin Bestzeit gelaufen. Später beim Meeting in Kassel hab ich mich dann noch mal auf 3:46 gesteigert" Zeiten sind wichtig, der Erfolg kommt dann von allein  scheint das Motto zu sein, denn er fügt noch hinzu: "Ach ja, Deutscher Meister bin ich dann auch wieder geworden."

>U20 EM Tampere

"Ein Platz unter den ersten sechs war mein Ziel. Doch es lief wieder nicht so optimal, es gab viele Tempowechsel. Zu Beginn hatte ich 2 bis 3 Sprints, um mich richtig zu positionieren und bevor es richtig los ging war ich schon platt und wurde auf Platz 12 oder 13 durchgereicht. Danach war ich natürlich sehr enttäuscht, denn der Sieg ging mit 3:45 Minuten weg." Wieder sollte es nicht sein, wieder gelang ihm international nicht der Durchbruch. Und das, wo die Form doch zu jenem Zeitpunkt ganz oben war, was ein anschließender 800er in 1:50,9 Minuten beim Leverkusener Meeting zeigte. Doch dann war die Saison zu Ende, die Saisonpause folgte.

Saison 2003/04, die zweite Saison in der A-Jugend stand an. "Die Ziele der Saison werden meist nicht konkret formuliert, jeder steckt sich seine eigenen." Die U20 Weltmeisterschaft in Grosetto stand für Stefan Eberhardt ganz oben. "Beim Basketballspielen hab' ich mir im Herbst meine erste größere Verletzung geholt: Einen Muskelfaserriss." Das bedeutete viel Rad und viel Krafttraining. "Ende Dezember war ich dann schon wieder soweit und hab auch relativ schnell wieder reingefunden." Stefan Eberhardt wurde wieder Deutscher Jugendmeister, in Neubrandenburg lief er die 1500m in 3:53 Minuten. Bei der DM der Aktiven wurde er in 3:51 Minuten Fünfter. "Da war natürlich auch nicht mehr zu erwarten." sagt er zu diesem Rennen. Die Halle war abgeschlossen, es folgte das erste Trainingslager in Kenia.

>Trainingslager in Kenia

"Die  Vorfreude auf das erste Trainingslager im Ausland war sehr groß. Man hat schon viel von den Trainingslagern in Kenia gehört und auch Bilder von den anderen Sportlern gesehen. Gleich nach der Ankunft wurden meine Erwartungen übertroffen. Die Menschen waren sehr freundlich, die Sonne strahlte und die Zimmer waren für kenianische Verhältnisse sehr komfortabel . Das Training machte Spaß, da wir Neulinge beim Dauerlauf die Landschaft erkundeten. Des weiteren liefen immer 3 bis 5 Kenianer mit , die zum Schluss um den Sieg spurteten. Die Trainingsbedingungen waren Top und man konnte den Alltag hinter sich lassen. Kein Schulstress, keine  Hausaufgaben am Abend usw. , man konzentrierte sich voll und ganz auf sein Training. Die ersten Tage vergingen wie im Flug. Durch den Höheneffekt und die Belastung durch das Training haben wir sehr viel geschlafen, besonders in der Mittagszeit war immer schlafen angesagt. Als der Körper sich an die Höhe gewöhnt hatte und wir nicht mehr ganz so viel schliefen, war eine sinnvolle Freizeitgestaltung gefragt. Wir durften das Quartier am Abend nicht mehr verlassen, da es für Ausländer zu gefährlich war. Der Besuch eines Nationalparks war mit der Höhepunkt unseres Trainingslagers. Es war ein unvergessliches Erlebnis diese fantastische Tierwelt hautnah  zu erleben. In der letzten Woche kam das Heimweh doch etwas zum Vorschein und alle freuten sich auf den Rückflug."

150 bis 160km wurden pro Woche abgespult.  "Vormittags meist ein 15km Dauerlauf, nachmittags noch mal 10km. Mittwochs 1000er oder 500er Serien Tempoläufe, Samstags ein GA2 Lauf über 12km. Zu essen gab es eigentlich immer das Selbe: Nudeln oder Kartoffeln, dazu Schafs- oder Hühnerfleisch." So legte er die Grundlage für das Ziel: die U20 WM. Auf dem Weg dorthin wurde er zudem in Jena wieder Deutscher Jugendmeister über 1500m. Seine Zeit: 3:49 Minuten....(s.o.)

>Saison 2004/05

Die aktuelle Saison 2004/05 hat für Stefan Eberhardt schon im Herbst mit einem weiteren Trainingslager in Kenia begonnen. "Im Vergleich zum ersten war es richtig langweilig, weil ich ja alles schon kannte. Es gab kein Fernsehen oder sonstige Medien. Die Leute verstehen dich nicht und die Trainingsstrecken führten durch Slums. Das war eher nicht so toll. Du arbeitest eigentlich nur dein Training runter." sagt er zu den 3 Wochen in der afrikanischen Höhe. "Da musst du mit Pulsuhr laufen, denn auf den Kilometerschnitt kommt es weniger an. In der Höhe herrschen nun mal andere Bedingungen." weiß er auch einiges über die Trainingswissenschaft zu berichten. Man merkt, dass dies sein Handwerkzeug ist.

Es folgten die Deutschen Crossmeisterschaften in Bremen, wo Stefan Eberhardt enttäuscht Vierter wurde. "Gleich zu Beginn des Rennens hat mir jemand einen Spike ausgetreten, deshalb musste ich 4km nur mit einem laufen." Eine Wahnsinns Leistung, zu der er noch ergänzt. "Da hab' ich schon zu tun gehabt."
Und wieder ging es für Stefan Eberhardt zu einer internationalen Meisterschaft, wieder war er voller Zuversicht, denn seine Form war besser denn je. Bei den Crosseuropameisterschaften auf Usedom war er im Juniorenrennen am Start: "Die Strecke lag mir gar nicht. Viele Steigungen und Kurven. Nachdem ich vorne mitgelaufen bin, war zum Ende hin keine Kraft mehr da und ich musste viele vorbeilassen." Stefan Eberhardt kannte dieses Gefühl, es war das selbe wie zuvor in Tampere und Grosetto. Doch es zeichnet energische, willensstarke Athleten aus vorne mitzulaufen, immer wieder alles auf eine Karte zu setzen. Das sind Rennen aus denen man lernt, aus denen Stefan Eberhardt gelernt hat. "Das war schon enttäuschend, aber Cross ist nicht so entscheidend. Die Niederlage habe ich schnell weggesteckt." 
Die wahre Form von Stefan Eberhardt hatte sich jedoch nicht in diesen Crossrennen gezeigt. Diese sollte sich erst in den anschließenden Hallenrennen offenbaren. Er sollte als einer der wenigen fast fließend den Sprung von der Jugend zu den Erwachsenen schaffen. Und das in sehr beeindruckender Art und Weise. Bei den Landesmeisterschaften rannte er am ersten Tag die 3000m in fantastischen 8:15 Minuten. "Ich hatte mit meinem Trainer abgemacht eine 2:45 anzugehen. Das konnte ich dann auch durchlaufen." Stefan Eberhardt lief das komplette Rennen alleine. Am nächsten Tag siegte er ebenfalls - über die 1500m in 3:44 Minuten. Jetzt war er auf einmal auch bei den Deutschen Meisterschaften der Aktiven in den Favoritenkreis gerückt. 

Zum ersten Mal live habe ich Stefan Eberhardt im Vorlauf über 1500m bei den Deutschen Meisterschaften in Sindelfingen gesehen. Souverän gewann er diesen.  Doch vielmehr war es die Art wie er dies tat. Sein Schritt ist lang, sein Körper scheint immer locker, ruhig. Er ist einer der wenigen, bei denen man immer das Gefühl hat, dass er ohne Probleme deutlich zulegen könnte. Seine Mimik signalisiert Gelassenheit, signalisiert Souveränität. 
Im Finale am Tag darauf  holte er sich hinter Wolfram Müller Silber. "Das war mein bisher größter Erfolg bei den Männern, wahrscheinlich hätte ich auch noch schneller rennen können." 3:44 Minuten war seine Endzeit. Doch um zu verstehen, welches Niveau Stefan Eberhardt zu diesem Zeitpunkt hatte, muss man wissen was er zwei Tage vor diesen 'Deutschen' trainiert hat. 2x800m mit 15 Minuten Pause in 1:53 und 1:51 Minuten. Und genau darin liegt die Stärke von Stefan Eberhardt. Neben schnellen Zeiten besitzt er mittlerweile eine Grundlage, eine Stabilität die ihm solche schnelle Zeiten in so kurzen Zeiträumen ermöglicht. In Erfurt legt man viel Wert auf diese breite Grundlage, denn eine einzige gute Zeit in der Saison reicht nun mal nicht aus, man muss im Vor- und Endlauf schnelle Zeiten anbieten können. 

Direkt nach der Halle ging es für zwei Wochen in ein Trainingslager nach Zeulenroda. "Den großen Ausdauerkomplex trainiere ich mit Andreas Freimann, Christoph Moormann, Steffen Preuk, Christian Biele, Martin Uhlich und Christian Seiler. Wir haben alle ein ähnliches Ausdauerniveau. Die speziellen Trainingseinheiten absolviere ich mit Martin Uhlich.  Hier trainieren die 800m Läufer, die 1500m Läufer und die 3000m Hindernisläufer für sich." gibt er Einblick in die Trainingsgruppe. "140 / 150km waren es in Zeulenroda. Die Dauerläufe waren meist 15km lang, manchmal auch 20." Das war ein Trainingspensum, das die Ausdauer nach der Halle noch einmal deutlich nach oben gedrückt hat, den letzten Schliff vor der Freiluftsaison verpasst hat. Ein Trainingsprogramm in dieser Phase sah beispielsweise so aus: "12x400m bin ich in dieser Zeit in 62 bis 60,5 Sekunden mit einer Minute Pause gelaufen." 
Das erste Freiluftrennen stand in Schwandorf an. "Eigentlich waren 3000m geplant, doch wir haben uns dann für die 1500m entschieden. Das Rennen war dann relativ langsam. Mit 3:45 Minuten wurde ich 7 Hundertstel hinter Jason Stewart Zweiter." Stefan Eberhardt wusste, dass er deutlich schneller konnte.

Mit 3:40,85 Minuten in Dessau katapultierte er sich dann endgültig in die Deutsche Männerspitze. "Anfangs habe ich mich gut gefühlt, habe deshalb dann auch aufs Tempo gedrückt. Und ich war mir sicher, dass ich gewinne, denn mein Vorsprung war groß genug. Ich bin froh, dass ich damit die Norm für die U23-EM in Erfurt gepackt habe, und das beim ersten Versuch." Weiter ging es mit den Deutschen Staffelmeisterschaften in Koblenz. "Als Zweiter oder Dritter hab' ich den Stab bekommen. Dann wurde das Tempo rausgenommen, die 600 sind wir in 1:36 durch. Und da ich nicht so grundschnell bin, bin ich 400m vor dem Ziel angetreten. Ich dachte mir nur: Vielleicht hast du ja dann den Überraschungsmoment." Die letzte Runde wurde für Stefan Eberhardt in 51,5 Sekunden gestoppt, die Erfurter Staffel gewann Gold.

Die Ziele für diese Saison sind klar. "Bei der U23 EM will ich in den Endlauf und unter 3:40 soll's schon noch gehen. Langfristig natürlich die Olympischen Spiele." Stefan Eberhardt zweifelt nicht an seinen Zielen.

>Ernährung, Hobbys, Beruf...

"Bei meiner Ernährung gibt es sicher noch Reserven, da achte ich eigentlich kaum drauf. Auch Fastfood muss mal sein. Allerdings schau ich schon drauf, dass ich viel Obst und Gemüse esse und ein geregeltes Mittagessen habe. Aber im großen und ganzen ernähre ich mich ungesund." Stefan Eberhardt hält nicht viel von diversen Energieriegeln oder Drinks. Von Alkohol schon gleich zweimal nicht. "Hin und wieder nehme ich eine Vitamintablette, aber sonst nichts. Auch bin ich nicht so der große Esser. Normale Portionen reichen mir schon." Am Ende fügt er noch hinzu: "Doch am liebsten esse ich daheim, da schmeckt es mir doch am Besten."

Nachdem er diesen Mai  sein Abitur gemacht hat und aus dem Internat in eine Erfurter Wohnung gezogen ist, wird er wohl bei der Sportfördergruppe der Polizei weiter professionell trainieren können. "Das ist im Prinzip das selbe wie beim Bundesgrenzschutz." Groß andere Hobbys ,außer dem Sport, hat er hingegen nicht, denn der Laufsport steht über allem.

>Sponsoren

"Die Wettkampf- und Trainingskosten werden alle vom Verein getragen. Seit einem Jahr habe ich mit ADIDAS einen Ausrüstervertrag. Hinzu kommt, ebenfalls vom Verein, ein Mietzuschuss. Die Sporthilfe ist ausgelaufen." fasst er den Bereich Sponsoring schnell zusammen.

Stefan Eberhardt zeigt keine großen Emotionen, ist eher ein fleißiger Arbeiter, der von seinem Trainer auf einem vielversprechenden Weg begleitet wird. Einer der nicht weiß wie viele Deutsche Meistertitel er insgesamt gewonnen hat, einer der nicht den Eindruck macht, als könne ihn etwas aus der Ruhe bringen. Er glaubt an sein Ziel, dass merkt man ihm an. Da mag sein Privatleben noch so unspektakulär sein, seine abgelieferten Leistungen wie Selbstverständlichkeiten klingen. Dieser Mann wurde optimal von der Jugend an aufgebaut, dieser Mann weiß schon welche Zeit er in zwei Jahren über die 1500m laufen will. Wenn manche die Beine hochlegen arbeitet Stefan Eberhardt noch, arbeitet an seinem Traum, denn er weiß: Nur mit Fleiß und Disziplin gelangt er zu diesem. Da spielt es auch keine große Rolle, dass er international noch keine Erfolge aufweisen kann. "In Grosetto war ich einfach übermotiviert und wollte mit den afrikanischen Läufern mithalten. Das war noch nicht möglich." sagt er und kommt damit auf den Punkt. Stefan Eberhardt besitzt etwas ganz entscheidendes, etwas das große Athleten auszeichnet: Das ist die Moral, die Moral nach Rückschlägen wieder und wieder alles auf eine Karte zu setzen. Diesen Mut muss man international besitzen, auch wenn man dafür erst Lehrgeld bezahlen muss. Wir können uns freuen einen Mann wie Stefan Eberhardt zu haben. 

   

Stefan Faiß (11.-22.06.2005) | Kontakt |

 

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