"Wenn
dich etwas nach vorne treibt, dann das Geschrei deiner Teamkameraden!"
Heute
ist nun der erste März und es ist komisch, dass ich in wenigen Tagen meine
Freiluftsaison starte, während in Deutschland noch nicht einmal die Crossläufe
beendet sind. Ja, die Amerikaner sind, wie es scheint, ungeduldig und stets
voraus. Doch das ist nun noch Zukunft. Lieber möchte ich einmal über meine
erste Hallensaison berichten. Verwöhnt wie ich bin, wurde ich in meiner Heimat
stets vor der Halle geschont. Zum einen, weil wir keine Halle in der Nähe
haben, die wir zum Training hätten nutzen können und zum anderen, weil wir uns
stattdessen lieber auf den Sommer (und die Deutschen Straßenlauf -
Meisterschaften) konzentriert haben und ich fleißig Kilometer sammeln sollte.
In all meinen Läuferjahren habe ich ein, höchstens zwei Starts in der Halle
gemacht. Nun, wie eben einfach alles, sah auch mein Winter hier drüben anders
aus.
Ungewöhnlich
für mich als Langstrecklerin, habe ich schon relativ viele und schnelle kurze
Sachen gemacht. Grund: eine Hallensaison war Pflicht.
Mein
erster Start war Mitte Januar in Tennesse (juhu, ein weiterer Staat für meine
„Sammlung“). Obwohl wir weder in einer Halle trainiert haben, noch das ich
diese unangenehme Hallenluft sehr mag, war ich doch recht zufrieden. Als
schnellste Studentin aller teilnehmenden Teams habe ich 3000 Meter beendet; in
einer Halle mit einer (merkwürdig) 280 Meter Rundbahn. Die Woche danach folgte
eine neue Erfahrung: zum ersten Mal durfte ich die Meile (1609 Meter) laufen.
Nein, nicht wie in Deutschland und all den anderen Ländern 1500 Meter, oh,
welch Wunder, auch hier wieder eine amerikanische Ausnahme. 1609 (!) Meter. Das
Gute: ich konnte nur Bestzeit laufen...was ich folglich auch tat.
> Der erste 800er: Die Sache mit dem Spike...
In
meinem nächsten Einsatz eine Woche später durfte ich die Strecke weiter
halbieren. 800 Meter waren angesagt. Voller Motivation stellte ich mich an den
Start und war bereit für Großes (ich fühlte mich gut). Doch Großes sollte
nicht folgen. Stattdessen eine neue, im Nachhinein auch witzige Erfahrung. Der
Startschuss zu meinem Lauf war gerade gefallen, 7 Läuferinnen stürmten los,
ich mittendrin. Genau: mittendrin. Noch keine 10 Meter gelaufen, da ist mir
schon eine Läuferin zu nahe gekommen. Ihr Spike berührte heftig meinen und
trat ihn mir aus. Einfach so...unverschämt. Ich war wütend und habe den Schuh
weggekickt. Doch deswegen aufgeben ist nicht mein Ding. Mit einem Schuh habe ich
die Strecke zurückgelegt. Welch armes Mädchen ich doch bin, müssen einige
gedacht haben. Noch nicht einmal 2 Schuhe kann sie sich leisten. Gekämpft habe
ich, und mein Bein hat danach ganz schön wehgetan. Mein armer Schuh wurde
dennoch mehr verletzt. Ich kann, und werde ihn zwar noch benutzen, aber er trägt
nun eine Narbe, die mich stets an diesen Lauf erinnern wird.
>Die Big South Indoor Championships...
All
dies waren aber lediglich „kleine“ und „unbedeutende“ Wettkämpfe. Sie
sollten uns, dem Women’s
Track and Field Team, helfen, sich auf die wichtigen „Big South Indoor
Championships“ vorzubereiten. Als Team wollten wir den überraschenden
Vorjahressieg verteidigen. Wir fühlten uns gut und stark und machten uns auf
Unmögliches gefasst. Am 18. Februar sind 23 Mädels plus 9 Mädels aus dem Team
(die aus gesundheitlichen Gründen nicht startfähig waren) zum anfeuern mit dem
Bus nach Blacksburg/Virginia aufgebrochen. Ich habe wieder etwas erlebt, dass
ich in Deutschland vielleicht nie finden würde: den Teamgeist. Diesen starken
Willen, als Team etwas zu erreichen, dieses Gefühl, dass es auf jeden ankommt,
dass jeder wichtig ist, dass man für jeden Punkt kämpfen muss. Abends vor dem
„großen Tag“ hatten wir ein Teammeeting und wir haben Bänder bekommen, in
den Uni-Farben für unsere Haare, Hand- oder Armgelenke, ein Band mit unserem
Namen drauf für den Rucksack, oder eben auch fürs Haar. Nicht zu vergessen:
das Unilogo als Tatoo. Ich war begeistert von den Ideen, die das Zeichen eines
Teams waren und uns als Team stark machten. Bis in die Fingerspitzen waren wir
aufgeregt und konnten es kaum erwarten bei unseren „Events“ das Beste zu
geben. Doch es sollte ein langer Tag werden.
>Ein Gebet vor dem Start...
...Und
für mich begann er um 6:30 Uhr mit einem 10-minütigen Auftakt. Anschließend
Frühstück und dann ab in die Halle. Als auch endlich der Rest der Truppe dort
ankam, haben wir eine Runde zusammen gedreht und uns in der Mitte zu einem Gebet
getroffen. Und natürlich, um den letzten Motivationskick zu bekommen. Die
Stimmung im Team war perfekt. Jeder der gerade keinen Wettkampf hatte, feuerte
die anderen an. Überall wo man sich aufhielt konnte man „Coastal-Geschrei“
hören.
Um 10:20 fiel für mich der Startschuss für die Meile. Ich fühlte mich gut und lief ein schnelles Rennen. Aber leider alleine. Die Siegerin war eine Klasse für sich und dennoch nicht ganz zufrieden. Sie wollte sich für die nationalen Meisterschaften qualifizieren und eine 4:42 laufen. Die Uhren blieben allerdings erst bei 4.46 Minuten stehen. Deutlich als Zweite ins Ziel gelaufen, freute ich mich über eine neue persönliche Bestzeit: 4:58 Minuten. Der Tag fing gut an. Ich kassierte ordentlich Punkte für das Team und wurde mit einer schicken Silbermedallie belohnt(Bild oben). Doch ich wusste auch, dass ich mich nun schnell erholen musste. Denn weitere Starts warteten. Man brauchte mich als Läuferin, um weitere Punkte zu sammeln, um dem Team zu helfen. Ich war bereit. Auch wenn mein Körper nach der Meile ein wenig erschöpft war, war ich wenig später schon wieder zum einlaufen unterwegs.
>...noch zwei Rennen am selben Tag
Um
16:00 Uhr folgten die 800 Meter. Meine Beine waren schwer, doch ich wollte kämpfen.
Für das Team. Schließlich war auch mein Traum und Ziel, einen
Meisterschaftssieg heim zutragen. Trotz müder Beine konnte ich die 800 Meter
noch in für mich guten 2:17 Minuten laufen und als Vierte ordentlich
„punkten“. Stolz überkam mich, doch meine Arbeit war noch nicht alle getan.
Punkt 17:00 Uhr war ich unterwegs, um weitere Punkte zu erkämpfen. Erfolgreich.
Belohnt mit einer weitern Silbermedallie lief ich die 3000 Meter noch in 10:17
Minuten. Das Rennen begann langsam und wurde am Ende schneller, doch so sehr
mein Kopf auch wollte, die Beine konnten nicht schneller (nach 2 schnellen
Rennen wohl auch kein Wunder). Dennoch: der Sieg ging an Anne-Marie, meine
liebste Team-und Trainingspartnerin! Wir Läuferinnen waren somit sehr
erfolgreich. Nicht zuletzt haben wir dies all den Leuten zu verdanken, die für
uns geschrieben haben, die uns angefeuert haben. Überall hörte man die
Coastal-Leute und ich kann nur sagen: wenn dich etwas nach vorne treibt, dann
das Geschrei deiner Teamkameraden! Die Stimmung war wie in einem ausverkauften
Fußballstadion.
Die
3000 Meter waren der vorletzte Wettkampf. Coastal Carolina University hatte
danach noch die Nase vorn. Mit 1,5 Punkten Vorsprung vor „Liberty“ ging es
zu den abschließenden 4x400 Meter. Jeder wusste, wie knapp es war. Doch auch
all unsere Anfeuerungsrufe halfen leider nichts (vielleicht doch?!). Unsere
Staffel lief auf einen beachtlichen
dritten Platz, mit neuer Bestzeit, doch Liberty war unschlagbar. Mit der Staffel
und somit auch am Ende sicherten sie sich den Mannschaftssieg. Mit 3,5 Punkten
Vorsprung. Es war knapp, aber klar. Es folgten Tränen und Enttäuschungen, doch
wir haben alle alles gegeben. Jeder hat versucht, das best mögliche zu
erreichen.
Auch
wenn wir uns nun nicht „Big South Champs“ nennen dürfen, so war es doch ein
einmaliges Erlebnis für mich! Wir haben als Team gekämpft, und als Team
verloren. Doch wir waren ein Team, ein starkes Team, das Stärke bewies und
zusammen hielt und das dennoch am Ende eines anstrengenden Tages zusammen als
Team feierte. Und zwar ausgiebig.
...Und
gäbe es einen „Big South Champs“ – Titel für das lauteste Team das am
meisten Stimmung macht, so würden wir ihn mit Abstand gewonnen haben!...
Ich werde bestimmt auch noch viele andere Male begeistert von diesem Tag erzählen!!!
T
ogether
E
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A
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M
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Christina Mohr (03.03.2005)