zurück

 

Tübingen - alle Jahre wieder

 

Wieder einmal hieß es: Auf nach Tübingen. Nicht um die schöne Altstadt zu besichtigen, nein wie jedes Jahr stand eine Leistungsdiagnostik an der Uni Tübingen auf dem Terminplan. Wie hat sich das Training ausgezahlt? Hab ich mich im Gegensatz zum letzten Jahr gesteigert? Alles Fragen, auf die dieser Besuch eine Antwort weiß.. 

Schon Monate vorher wurde ein Termin ergattert. Wer nicht rechtzeitig anfragt, muss oft sehr lange aushaaren bis sich wieder eine Gelegenheit bietet.. Meine Mutter, Oma und Dote nutzten diese Gelegenheit um bei Verwandten einen Besuch abzustatten. Wir fuhren also recht früh los, denn ich hatte um 8:30 Uhr einen Termin. Es ist jedes Mal ein mittlere Katastrophe dort einen Parkplatz zu finden. Eine Einbahnstraße kreuzt die Nächste. 

Ich verbinde mit dieser Sportärztlichen Untersuchung eigentlich vor allem eines: Warten, warten und nochmals warten. Eigentlich ist das gar nicht so schlimm, wenn man die dort ausgelegten Zeitschriften nicht schon kennen würde. Also nahm ich als Zeitvertreib ein Buch mit, das für das Fach Deutsch gelesen werden musste. "Gestern war heute - 100 Jahre Gegenwart" von Ingeborg Drewitz. Es gibt Bücher die spannend sind, einen fesseln - dieses gehört nicht dazu. Eine deutsche Lebensgeschichte über 5 Generationen. 

Nach den üblichen Registrierungsaktionen folgte die erste (na ja für manche ist das schon so) Bewährungsprobe. Der Urintest. Ich will nicht weiter darauf eingehen, da der Vorgang jedem klar sein müsste. Eigentlich eine leichte Übung sollte man meinen. Ein älterer Herr sah dies wahrscheinlich ebenfalls so und nahm den Becher, um mit ihm  in der Toilette zu verschwinden. Nichts besonderes dachte ich mir. 5 Minuten vergingen, 10 Minuten vergingen, der Mann kam nicht raus. Erst nach etwa einer Viertel Stunde öffnete sich die Tür. Es schien im peinlich zu sein, diese erste Prüfung nicht geschafft zu haben. Er gab den leeren Becher wieder zurück, setzte sich und leerte innerhalb von Null Komma nix eine 0,5 Liter Flasche Sprudel. Beeindruckt verfolgte ich die Show. Kurze Zeit später musste er es dann geschafft haben. Ob ihm der Wasserbauch noch Schwierigkeiten bereitet hat? Es sind eben die kleinen Dinge, die das Warten erheblich amüsanter machen.. 

Als ich mich wieder meinem Buch widmen wollte, wurde ich zur nächsten Untersuchung aufgerufen. Das  Ruhe EKG stand an. Der Oberkörper wurde dabei mit Kabeln besetzt. Wie die Tentakel eines Tintenfischs saugten sie sich fest. Auf der Liege, musste ich mich bemühen, nicht einzuschlafen. Aufregung kannte ich nicht mehr. Bei den ersten Besuchen war dies noch ganz anders gewesen. Als Ruhepuls konnte man den Herzschlag von damals nicht ganz betrachten. Jetzt schlug das Herz  46 Mal pro Minute. Weiter ging es zur Waage, welcher die Körpergrößenerfassung folgte. Die Ergebnisse waren mir bereits vertraut, da ich selbes Spiel 2 Tage zuvor bei der Musterung erfahren durfte. Obwohl es bei der Größe doch eine Toleranz von 1 cm gab. Lungenvolumen und Köperfettanteilmessung folgten. Ich war über das neue Lungenfunktionsmessgerät erstaunt. Mit Laptop und modernster Software ausgestattet hielt es alles fest was es nur festzuhalten gab. Mit etwa 6,5 Liter Lungenvolumen und einem Köperfettanteil von 5,1 % begab ich mich wieder in den Aufenthaltsbereich. Geduldig wartete dort schon die "geliebte" Schullektüre  darauf, weiter gelesen zu werden. Ein paar andere Athleten und Eltern schienen sich nicht minder zu langweilen.

Nach weiterer 45 Minuten ging es zum ersten mal zu einem Arzt. Mit einem  musterungsähnlicher Fragebogen begann die Untersuchung. Trainingsumfang?, Krankheiten? Verletzungen?  Bestzeiten? Beschwerden?... Die Antworten wurden in die Akte aufgenommen und die orthopädische Begutachtung  folgte. Nach dem der Körper einmal verknotet wurde und nichts außergewöhnliches aufgefallen war folgte das Blutabnehmen. Eine eigentlich schmerzfreie Angelegenheit, solange die Nadel nicht bewegt wird. Der Arzt beherrschte dies hervorragend. Pflaster drauf und es ging  zurück in den Chilling-room (auch Aufenthaltsraum genannt). Die längste Warteperiode folgte. 

Nach über einer Stunde, ging es endlich zur Vorbereitung für die Leistungsdiagnostik. Wieder wurde der Oberkörper mit Kabeln dekoriert. Diesmal wurden diese aber mit einem Pflaster gesichert. Der Laufband test war mir längst vertraut, doch mögen tue ich ihn bis heute nicht. Nach Belastungsstufen von 3 Minuten folgt ein kurzer Stop bei dem am Ohr Blut genommen wird. Zwecks Laktatbestimmung. Dann wieder 3 Minuten Belastung mit einer Geschwindigkeit die 2 km/h über der Alten liegt. Dies macht man so lange bis es nicht mehr geht. 

Ich startete wie gewöhnlich mit 6 km/h. Nach einem Startruhepuls, im Ruhezustand, von 48 wurden bei dieser Geschwindigkeit schon 110 Schläge pro Minuten gezählt. Der Begriff Vorfußläufer schien der Dame, die den Test betreut nicht bekannt zu sein. Selbst bei kleinem Tempo laufe ich mit diesem Stil. Doch sie  sagte mir, ich solle abrollen, ruhiger machen. Angeblich würde sonst der Laktatwert zu schnell nach oben gehen. Gut, dann eben abrollen. Die ersten Geschwindigkeiten sind mehr oder weniger zum warm werden. Etwa ab 12 km/h, was einem 1000m Zeit von 5 Minuten entspricht, ist der Körper auf Temperatur gebracht. Überrascht wunderte ich mich über das flotte Tempo. Ein 5er Schnitt fühlt sich im Wald bedeutend langsamer an. Jetzt ging es langsam los. Bei 18 km/h angelangt musste ich mich schon ziemlich anstrengen. Der Schweiß war jetzt nicht mehr nur auf der Stirn präsent. Wie Wasser tropfte er auf das schwarze Band. Mit diesem monotonen brummenden Ton hielt es mich auf der Stelle. Es kam mir alles so öde und langweilig vor. Diese trockene Luft, die Uhr vor Augen, der maximalen Belastung immer näher kommend. 18 waren geschafft, der Puls war bei 190. Die 20 auch noch?, fragte mich die Dame während sie den letzten tropfen Blut aus meinem Ohr quetschte. Ich fühlte mich noch stark genug, die 20 km/h auch noch zu packen. Dies bedeutete auf die 3 Minuten gerechnet genau eine Strecke von 1000m. Nach einer halben Minute spürte ich schon, dass es hart wurde. Ich kam mir wie im Sprint vor. Der Puls musste jetzt langsam sie 200er Grenze tangieren. Noch eine halbe Zeigerumrundung,, noch einmal die Zähne zusammenbeißen. Die lästigen Kabel, die Anfangs noch die Armführung etwas behinderten, waren jetzt nicht mehr teil der Gedanken. 1:30 Minuten. Noch mal so lang?  Das geht, weiter, Schritt für Schritt, Hochhangeln, die 30 Sekunden Perioden waren die Sprossen. Noch 20 Sekunden, noch 15, noch 10, 9 ,8...ich fühlte mich an meine Kolumne, zum Thema Säure erinnert. in etwa so fühlte sich das jetzt an. Gut gemeint wie es war, zählte die Dame den Countdown mit. Ich kenne das vom Athletik-Training, wenn der Trainer die Zeit für die statische Übung herunterzählt. Schrecklich, die Sekunden wurden immer länger. "Festhalten", wie eine Befreiung wirkte diese Aufforderung, als das Laufband zum halten kam. Ausgepumpt schnappte ich nach Luft. Ein letztes Mal Blut am Ohr und es war geschafft. 

Duschen, umziehen und, na klar, warten. Jetzt stand nur noch das Abschlussgespräch zwischen hier, und dem Weg nach Hause. Es dauerte dann auch nicht lang, bis ich aufgerufen wurde. Es wurde mir die Ergebnisse dieses Stufentests in Form eines Diagramms gezeigt (hier klicken um ein Älteres zu sehen). Hieraus sind unter anderem die Pulswerte für die einzelnen Dauerlaufformen zu entnehmen. LDL (langer/regenerativer Dauerlauf), MDL (mittlerer Dauerlauf), TDL (Tempodauerlauf) und ETL (extensiver Tempolauf). Der Arzt erläuterte mir alles, ich stellte noch ein paar Fragen, und damit war ich auch schon zu Ende. Etwa 4 1/2 Stunden hatte es gedauert. Einen ausführlichen Bericht, bekommt man etwa 2 Wochen später zugesandt. In ihm enthalten, sind Blut-, sowie Urinwerte, als auch ein Gutachten des Arztes. 

Ungeduldig warteten die Damen schon, das ich endlich kommen würde. Ich war wohl nicht der einzige der jetzt Hunger hatte. Ich setzte mich ins Auto, aß zwei Brötchen und wollte nur noch heim. Nächstes Jahr werde ich vermutlich wieder nach Tübingen kommen, wenn mir wieder die Frage nach dem Trainingsstand auf der Zunge brennt. Das Laufband wird mir die Antwort liefern. 

Schule hatte ich keine mehr. Das machte mich nicht unbedingt traurig, denn mal abgesehen von den Untersuchungen hätte ich in der Schule auch nicht viel mehr gemacht. Und was das Buch angeht, so fehlt mir in letzter Zeit ein wenig die Motivation diese zu beenden. Ich hoffe, dass ich es bis zum Abi nächstes Jahr geschafft hab. Und wenn es ganz eng werden sollte, dann wird es mich auch nächstes Jahr wieder begleiten. Begleiten zur Uni Tübingen.

Anmerkung: Tag der sportlichen Untersuchung war der 02.05.2002

Stefan Faiß (09./10.05.2002)