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Baumanns Kolumne - oder: Wie alles begann

 

Das Fach Deutsch mochte ich nicht, den Gegenstand Buch versuchte ich zu umgehen, die Tätigkeit lesen mied ich, die Kunst zu schreiben verstand ich nicht. Schreiben und Lesen: die Feinde meiner Grund- und Realschulzeit. Ich las bis zu meinem 16. oder 17. Lebensjahr vielleicht 10 Bücher, die meisten davon für die Schule, die meisten davon nicht freiwillig. 

Da muss man sich hinsetzen, muss sich konzentrieren, die einzelnen Wörter, Sätze in einem Zusammenhang verstehen, es gibt keine Abwechslung für das Auge, welche  etwas Interesse wecken würde. Immer einer von diesen 26 Buchstaben unseres Alphabets. Mal  in größere, mal in kleinere Gruppen zusammengesetzt, aber immer dieselben. Als einzige Arrhythmien sind die Groß- und Kleinschreibung, die Satzzeichen und die Abgrenzungen durch Absätze auszumachen. Des weiteren findet man sich rein äußerlich in einer strikten Monotonie wieder, Seite für Seite, Buch für Buch. Sollte dann nach einem Satz, durch den man sich mühevoll durchgekämpft hat, dessen Wörterberg man mühevoll erklommen hat, kein Sinn ergeben, geht man nicht zurück, und versucht durch ein wiederholtes Lesen, durch eine erneute Anstrengung den Kontext zu begreifen zu erklimmen, Nein, man schließt den Versuch als gescheitert ab und widmet sich anderen Tätigkeiten: Interessanten, Spaßigen. 

Mir graute es immer davor, wenn immer neue Personen in die Handlung eingriffen, denn diese Menschen blieben nicht einmal für den Bruchteil einer Sekunde in meinem Gedächtnis zurück, 2 Wörter weiter, waren sie wieder zu Mr. X und Mr. Y verkommen. Was vielleicht nicht weiter schlimm war, aber eine Gleichung mit zwei oder mehr unbekannten lässt sich nun mal schlecht lösen - sprich: ein genaues Ergebnis blieb mir verborgen. So versuchte ich es nicht weiter mit meinem Erzfeind "Buch" sondern wechselte meine Aktivität um mich sinnvolleren Dingen zu widmen. Oft bis zu dem Zeitpunkt in dem meine abenteuersuchenden Augen das nächste Cover eines Fünf-Freunde Bandes ausgemacht hatten. Wie im Kino sprang der Motor meiner Phantasieprojektion an, das Bild auf dem Jugendbuch reichte mir um mir meinen eigenen Inhalt auszumalen. Komischerweise kaufte man das Buch dann, weil ich doch so viel Interesse daran gezeigt habe. Zu Hause folgte dann meist immer das übliche Spiel. Cover weg - Interesse weg! So lief das die folgenden Jahre, so umlief ich die Bücher, sofern sie mir nicht irgendein Lehrer in den Weg warf. 

Jetzt bin ich 19, schreibe für mein Leben gern, lese viel - nicht alles, aber das was sich mit meinem Interesse deckt-  na ja, und jetzt müsste logischerweise kommen, dass mir der Deutsch Unterricht Spaß macht, muss ich aber mit einem ließen "nein" versehen. Was nicht am Lehrer liegt, vielmehr stört mich die schematische Textanalyse, das  Maskenschreiben und nicht zuletzt der Zwang in den Klausuren.

Bewogen zu diesem Wandel haben mich nicht zuletzt die monatlichen Kolumnen von einem gewissen Dieter Baumann: Langstreckenläufer und 5000m Olympiasieger von 1992. Er hat mich inspiriert. Sicherlich haben auch andere Faktoren eine Rolle gespielt: Das höhere Alter oder der Wechsel aufs TG (Technische Gymnasium), doch die Baumann Kolumnen waren die ersten Texte, die meine volle Aufmerksamkeit auf sich gezogen haben. Aus Buchstabengruppen wurden Bilder, aus Wortbergen wurden Handlungen, aus Klettern wurde Rennen, aus Zwang entsprang Freude. Zu Beginn jedes Monates gab es nur einen Weg in der Mittagspause: den Fußmarsch zum nahegelegenen Marktkauf. Die anderen vergnügten sich mit Auto-, Jugend-, oder sonst welchen Zeitschriften und ich griff jedes Mal zur RUNNERS WORLD. Ich fing nicht, wie sonst üblich, das Heft vorne an, um mich dann langsam Seite für Seite nach hinten zu arbeiten. Sondern ich schlug die Manga-Variante ein und begann mit der letzten Seite - Baumanns Kolumne. Schnell vertiefte ich mich in seinen Worten, bis mein Blick nach dem Schlusspunkt, über die Heftseite hinausglitt und nur noch den Ansatz meiner Schuhe ausmachen konnte. Die anderen drängten schon, dass sie endlich Richtung Getränkeabteilung wollten. Ich hatte sie vorher nicht wahrgenommen. 

Er schreibt als Läufer, als Schwabe,  als Mensch - er schreibt aus dem Leben, aus seinem Leben. Seine Leser sind meist Gleichgesinnte - Läufer und Läuferinnen - das macht seine Themen so beliebt. Ich wollte auch so schreiben können, einfach von der Seele weg, ohne Zwang. 

Als ich dann irgendwann im letzten Jahrtausend, so um 1999,  auf die Idee kam, eine Webseite ins Netz zu stellen, stellte ich mir schon vor, was ich alles auf ihr veröffentlichen könnte: Das Thema einer eigenen Kolumne war geboren. Imaginär geboren, ans Schreiben machte ich mich allerdings erst am 14.01.2002. Ich schrieb einfach drauflos, wie es mir in den Sinn kam.  "Jeder fängt mal klein an", hab ich mir damals gedacht, und so erschien am 17.01.2002 meine erste Kolumne mit dem Titel "Warum Laufen?". Weitere sind gefolgt, nicht in regelmäßigen Abständen - nein - ich schreibe wann ich Lust habe, wenn ich ein passendes Thema vor Augen habe und: Nur dann!  Nicht weil ich es regelmäßig muss. Nicht so wie in der Schule, hier schreibe ich frei, ohne Konzept, ohne eine Schema, in das der Text gepresst werden würde. Doch auch in der Schule fällt es mir nun bedeutend leichter Aufsätze zu schreiben, die Angst vier Stunden lang den Füller auf dem Blatt zu bewegen, so dass am Ende etwas akzeptables rauskommt ist vorbei, der Aufsatz ist nicht mehr mein Feind, er ist mein Freund, zumindest mein Verbündeter ;). 

Jetzt schreibe ich auch Kolumnen, lang nicht so gut wie "Baumann's-Runner's-World-letzte-Seite-Kolumne", aber ich habe ein neues Hobby gefunden, dass mir sehr viel Freude bereitet. Danke Dieter! Auch weiterhin werde ich seine Erlebnisse mit großem Interesse verfolgen, ich werde auch weiterhin den Weg zum Zeitschriftenregal suchen und zu Guter letzt werd ich auch weiter Kolumnen auf meiner Seite veröffentlichen - ganz ohne Literaturphobie.

 

Anmerkung:

 

Stefan Faiß (29.09.2002)