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Mühsam ernährt sich der Läufer

 

Eichhörnchen sind kluge Tierchen: Sie sammeln ihre Nahrung für den Winter dann, wenn es draußen noch nicht schneit und noch keine Temperaturen um den Gefrierpunkt herrschen. Verbuddeln das Gesammelte in der Erde, verstecken es da, wo sie es in mageren Zeiten wiederfinden. So überleben sie den Winter, die kalte Jahreszeit. Der Läufer wählt, entgegengesetzt dazu, die Methode getreu dem Motto: Was du in der kalten Jahreszeit trainierst wirst du mit einer erfolgreichen Sommersaison ernten. So werden auch bei einstelligen Celsiusgraden Kilometer gesammelt, werden die höchsten Wochenumfänge absolviert. Zu Fuß, mit dem Rad oder im Wasser. Der Läufer holt seine Leistungsgrundlage dann, wenn das Eichhörnchen dank vollbrachter Sammlerarbeit überleben kann.

Was aber, wenn der Läufer im Winter nicht kann, wenn er, jeglichem Versuche zum Trotz, immer wieder ausgebremst wird. Unter die Kategorie eines solchen Läufers falle ich wohl diese Saison. Hatte ich doch schon mit sammeln begonnen, wollte ich doch schon im Dezember den Nährboden für eine hoffentlich (mal wieder) gelungene Saison ebnen. Ich lief schon fast wieder täglich, war wieder im Wald, auf den Feldwegen unterwegs. Nicht lange, aber wieder regelmäßig frönte ich der Lauflust, konnte wieder vom "Laufgefühl" sprechen. So war und ist es nicht ein Suchen nach Altem, nach dem Zurückliegenden - fühlte ich mich doch weiter in meinem Läuferleben, fühlte ich mich doch von dem getrennt, was vor all den Krankheiten, Leistungseinbrüchen und Verletzungen war. Habe ich meine Abstinenz mehr als ein Wiederbeginn gesehen, als das Fortführen gewohnten Trainingsalltags. Folglich bot es sich schon Ende letzten Jahres an, auch die Wettkampfabstinenz mit dem Bietigheimer Silvesterlauf zu beenden. Ich hatte ein Ziel vor Augen. 

Konnte von Woche zu Woche einen Formanstieg verspüren. Ich wollte  mit Leuten laufen, die voll im Training sind, um mich wieder in dem gleichmäßige Laufen einzufinden, um neue Motivation zu tanken. So lief ich mit meiner Freundin Tine den ein oder anderen lockeren Dauerlauf; traf mich an Sonntagen  mit meinem Laufkumpel Markus(32:20min/10km) zu einem etwas längeren Lauf, der eine willkommene Abwechslung in der Woche darstellte. Und  auch beim Zivilehrgang in Stetten auf den Fildern trainierte ich  mit einem Läufer höheren Niveaus: Den Kirchberger Peter Hein (32:14min/10km) begleitete ich fast täglich bei seinen Trainingsläufen. Ich dosierte meine Einheiten, wusste ich doch, dass mir eine volle Teilnahme an seinem Training nur schaden würde. So lernte ich neue Trainingsphilosophien kennen und fand wieder diese Überzeugung sich voll auf das Laufen einzulassen. Ich brachte es in Hinsicht auf den Silvesterlauf so auf durchschnittlich 50 bis 60 Wochenkilometer; was ungefähr der Hälfte von Kilometern entsprach die ich noch ein Jahr zuvor hinter mich brachte. Drei Tempoeinheiten sollten für das Gefühl meines Wettkampftempos sorgen. So absolvierte ich einmal einen 15Minuten Tempolauf, einmal lief ich die letzten 3 Kilometer eines 65-minütigen Dauerlaufs in Wettkampfpace und letztlich legte ich nur den letzten Kilometer eines Dauerlaufs etwas schneller zurück, als ich das im Wettkampf über die 10Kilometer vor hatte. Wahrlich nicht viel, aber ich empfand es als eine gute Wahl nicht mehr zu laufen. So war der 31. Dezember auf einmal da, ich sollte wieder einen Wettkampf bestreiten:

Kühle, bewölkter Himmel und ein Gefühl, wie ich es lange missen musste, wie ich es mir in unzähligen Tagen ohne Laufen kaum vorstellen konnte. Dieses Kribbeln, diese Leere in den Beinen, die Erwartungen im Kopf; alles auf diesen Tag gegeben zu haben. Hintrainiert ohne jemals das Ziel aus den Augen verloren zu haben. Wieder Warmlaufen, das Vorbereitungsritual abspulen. Den Wettkampfdress anziehen, die leichten Schuhe schnüren, zum Start begeben, eine letzte Steigerung, es kann losgehen. Alle stürmten los -  was bei  gut 3600 Teilnehmern schon überwältigend war. Ich fand gut in den Lauf, konnte mein Tempo finden und empfand es als gigantisch bei solch einer Atmosphäre zu laufen. Nach 39:34min über 10,71km war ich im Ziel angekommen. Ein 3:41er Schnitt habe ich mit meinem mageren Training hingebracht. Ich war mehr als zufrieden, hatte ich mich doch mit diesem Lauf wieder eingefunden, konnte es jetzt doch wieder richtig losgehen. 

Wollte ich doch im neue Jahr die Wochenumfänge wieder erhöhen, um das Sammeln für die Sommersaison fortzuführen. Schöpft man doch aus so einem Event Motivation für eine komplette Vorbereitung und noch mehr. Doch was bringt Motivation, wenn der Körper nicht will? Nun sind gut 20 Tage seit Silvester vergangen und ich sitze (mal wieder) zuhause mit einem Schal um den Hals und Gliedmaßen die sich anfühlen, als hätten sie gerade einen Ironman hinter sich gebracht. So was ist ärgerlich, trifft es doch immer dann ein, wenn man zu glauben wagt, dass die Leidenszeit nun vorbei ist. Es geht natürlich weiter, das Ziel wieder regelmäßig dabei zu sein  ist nach wie vor vor meinen Augen. Es ist momentan ein weit entferntes Ziel, aber ich werde es erreichen. Vielleicht kann man daher bei mir mittlerweile, dem Thema entsprechend, sagen;

Mühsam ernährt sich nicht nur das Eichhörnchen - Mühsam ernährt sich der Läufer!

Stefan Faiß  (20.01.2004)

:::Bildquelle: >www.bietigheimer-silvesterlauf.de

:::Danke für den Link auf laufen-aktuell.de